von Rüdiger Schwarz
Mit Rhythmuswürze einmal um die Welt
Jettingen: Radio Mundo haben zwischen Latin, Jazz, Funk und Pop ihren eigenen, charmanten Stil gefunden Die Straßen von Rio und Montevideo, die Küsten Perus und die Pampas von Venezuela – Radio Mundo haben sich musikalisch dem lateinamerikanischen Lebensgefühl verschrieben. Auch die feurig-pikante Jazz-Fusion eines Chick Corea und einer Tânia Maria hat es den drei Musikern angetan. Dabei schrecken sie in der Oberjettinger Kulturscheuer auch vor einer Sambaversion von Helene Fischers „Atemlos“ nebst einer Puccini-Arie nicht zurück.
Ob Klanghölzer, Zimbeln, Rasseln, Tamburin oder Cajon, an diesem entspannten Abend gibt es ein kleines, wohltemperiertes Rhythmusfeuerwerk und natürlich kommt auch das Saitenspiel nicht zu kurz, die Gitarren flirren virtuos, der Bass pulsiert erdig, die Tres Cubanos funkelt geschliffen und brillant. In schöner Regelmäßigkeit greift Sängerin Dorothee Götz zur Melodica und zaubert zu so einigen Arrangements bezwingend melodiöse und überwiegend heitere Klangfarben hinzu. Weht auch manchmal eine leise, jedoch stets leicht bleibende Sehnsuchtsbrise durch den Raum, überwiegt an diesem Abend eine knisternde Unbeschwertheit und eine prickelnde Unbekümmertheit.
Nicht nur die Franzosen, auch die Lateinamerikaner verstehen sich auf Lebenskunst und die Leichtigkeit des Seins. Bei Sängerin Dorothee Götz, Gitarrist Andrej Lebedev und dem Bassisten Wieland Braunschweiger hat man es mit einem vielseitigen, versiert und passioniert aufspielenden Trio zu tun. Auf der kleinen Konzertbühne leben sie das, was sie als funky Weltmusik bezeichnen.
Bei ihrer Expedition durch die Rhythmuswelten Mittel- und Südamerikas verfallen die drei Vollblutmusiker immer wieder der Samba, ihrem leidenschaftlichen Feuer, ihrer übersprudelnden Sinnlichkeit, ihrer erfrischenden Lebensfreude, die oft genug mit einer Messerspitze Erotik flambiert wird. Selbst wenn Dorothee Götz ihrer Stimme einen sehnsuchtsvoll-beseelten Schmelz unterlegt und zur von Ary Barrose anno 1939 komponierten Samba-Ode „Aquarela do Brasil“ anhebt, dann fällt diese Liebeserklärung so gar nicht pathetisch, sondern vielmehr wie ein Flirt mit dem Leben aus.
Ein kleines Stück vom Glück
Melodische Geschmeidigkeit geht mit einem gepfefferten Groove Hand in Hand. Samba, das ist ein Rhythmus, der ins Blut geht, von dort in Hüfte und Beine, wird er dann auch noch unplugged angereicht, kann man zu ihm auch noch vortrefflich die Seele baumeln lassen, den Alltagsstaub von ihr abwischen und die Sorgen, Sorgen sein lassen. Samba ist ein kleines Stück vom Glück und Freisein, ein Stück Verheißung und Lebenslust, manchmal auch das Paradies auf Erden.
Der lateinamerikanische Tanz des Lebens hat aber ein ganzes Kaleidoskop an leuchtenden, facettenreichen Klangfarben zu bieten. Etwa einen peruanischen Walzer, der sich von einer verträumten Romanze zu einem anregend vitalen kreolischen und afro-peruanischen Rhythmusfeuerwerk auswächst. Quicklebendig und fidel, fast schon schwindelerregend, gestaltet sich das synkopierte Tempo eines Tanzes der Gauchos in Venezuela.
Dank eines bezaubernden Gesangduetts von Dorothee Götz und Wieland Braunschweiger, nebst süffigem, sich im Ohr festsetzenden Groove, mag so ein folkloristischer, noch heute in so manchem Stadtviertel von Uruguays Hauptstadt Montevideo zelebrierter, afro-lateinamerikanischer Candombe als Vorfahr des Tango Argentino ein wenig von der Leidenschaft und dem Stolz eines Tangos erzählen. Lateinamerika ist ein Schmelztiegel der Kulturen, folglich stimmt das Trio sogar einen keck, spritzig und leichtfüßig dahingroovenden brasilianischen Reggae an. Kesse, funkige Lautmalereien, ein mitreißend euphorischer, zuweilen heißblütiger Rhythmus lassen das Latin-Jazz-Kabinettstückchen „Yatra Ta“ der brasilianischen Jazzsängerin Tânia Maria zu einem der Höhepunkte dieser funky Weltmusikreise werden. Sängerin Dorothee Götz läuft hier zur Höchstform auf, wird die Stimme hier doch zu einem recht vertrackten und kniffligen Percussion-Instrument. Eine fiebrig-schillernde Jazz-Fusion, die das berühmte Adagio aus Joaquin Rodrigos „Concierto de Aranjuez“ in eine rasante, sambaähnliche Rhythmik überführt und unter progressiven Akkorden und Improvisationen weiterspinnt, verabreichen Radio Mundo mit dem furiosen Chick Corea Klassiker „Spain“.
Spätestens wenn die Combo dem funkigen, souligen Pop-Evergreen „Ain’t Nobody“ von Rufus und Chaka Khan, dem Pop-Beat eines „Smooth Criminal“ von Michael Jackson und sogar dem sentimentalen Belcanto einer populären Puccini-Arie viel lateinamerikanisches Flair verpasst, wird deutlich, dass man es hier mit keiner herkömmlichen Coverband zu tun hat.
Radio Mundo drücken all diesen Songs ihren ganz eigenen musiklaischen Stempel auf und lassen sie in einem so noch nicht gehörten, recht verblüffenden Klangkleid erstrahlen. Dass so ein sambaangehauchtes Klangkleid auch nonchalant und chansonesque swingen kann, beweist das Trio mit dem Popsong „A Night like This“ samt einer beseelten, gefühlvollen, und unter die Haut gehenden Version von Stings „Shape of my Heart“. Auf die lateinamerikanische Rhythmuswürze lässt sich aber auch jodeln, Alm trifft auf Copacabana, selbst vor Helene Fischers „Atemlos“ macht eine derartige musikalisch augenzwinkernde Spaßguerilla nicht halt.